Auf den Spuren einer eigenartigen „Spur”

 Schauplatz: Immensee, Baumgärtli – Wurden im Wasser Spuren längst vergangener Zeit entdeckt? Eine Gruppe von Tauchern ging den mysteriösen “Spuren” unter Wasser etwas genauer nach.

Wer rechts wegtaucht, kommt automatisch zum grossen Felsen, der wie eine Felswand plötzlich den Weg versperrt. Und wer schon einmal den oberen Bereich erkundet hat, dem sind vermutlich auch die eigenartigen Löcher aufgefallen. So erging es auch meinem Tauchkollegen Peter Ott, der von dieser Entdeckung schliesslich Aufnahmen anfertigte und eine Vermessung vornahm. Peter war der Meinung, dass es sich bei diesen Löchern um Dinosaurierspuren handeln könnte.

Ein „Fussabdruck“ mit einem Durchmesser von 20cm und 5 cm Tiefe (Foto C. Morello)

Als ich seine Fotos sah, wurde auch in mir die Neugierde geweckt, und weil ich unter Wasser keinen Beweis bzw. Gegenbeweis für die Dinosaurier-Theorie fand, wollte ich dem Rätsel auf den Grund gehen, möglichst mit Hilfe eines Paläontologen. Vom Sauriermuseum in Frick kam die Meldung, dass aus dem Zugersee keine Dinosaurierspuren bekannt seien, und aufgrund der Fotos könne man nicht beurteilen, ob es sich dabei tatsächlich um solche Spuren handle. Wichtig für die weitere Erforschung seien Angaben zu Alter und Material des Felsens. Wenn das Gestein jünger als 65 Millionen Jahre sei, so könne es sich nicht um Fussabdrücke von Sauriern handeln, da diese zu dieser Zeit bereits ausgestorben seien.

So war nun also die Meinung eines Geologen gefragt, und ich wandte mich an das Naturhistorische Museum in Basel, welches starkes Interesse zeigte und von Dinosaurierspuren  in einem Steinbruch am Vierwaldstättersee zu berichten wusste. Da in der Region von Immensee aber nur Molassegesteine vorkommen, die jünger als 25 Millionen Jahre sind, musste die Dinosauriertheorie fallen gelassen werden. Ich wurde schliesslich an Frau Nina Kunz vom Tierpark Goldau weiter verwiesen. Dort waren 1954 im Bergsturzgebiet von Goldau versteinerte Fährten von Säugetieren, unter anderem von einem Nashorn, auf der Oberseite einer etwa 25 Millionen Jahre alten Sandsteinbank der Unteren Süsswassermolasse zum Vorschein gekommen. Die grössten Fusseindrücke von etwa 25 cm Durchmesser waren maximal 4-5 cm tief, bildeten aber eine fortlaufende Fährte.

So könnten vor etwa 25 Millionen Jahren die Fussspuren im Bergsturzgebiet von Goldau entstanden sein
(Illustration von H. Furrer und B. Scheffold im Tierpark Goldau).

Schliesslich landete ich mit meiner Anfrage beim Paläontologischen Institut und Museum der Universität Zürich. Dr. Heinz Furrer tippte auf Verwitterungserscheinungen, wollte aber weitere Aufnahmen und Gesteinsproben sehen. So war für uns ein weiterer Tauchgang an der Fundstelle angesagt. Ziel unseres Tauchganges war es, eine Spurenfolge auszumachen, also die Abdrücke aller vier Füsse in einem Schrittmuster festzuhalten und Gesteinsproben zu entnehmen.

Ausgerüstet mit einem Einkaufskorb, in welchem sich eine Bauschnur, ein Doppelmeter, ein Reel, eine Boje und ein kleines Brecheisen befanden, tauchten wir am 13. Juni 2006 in den sonnenüberfluteten Zugersee ein. Sehr schnell wurde uns klar, dass zu viele und verschieden grosse „Fusseindrücke“ vorhanden waren und sich aus diesem Grunde auch keine fortlaufende Fährte ausmachen liess. Die Entnahme einer Gesteinsprobe gestaltete sich jedoch als relativ einfach, und so setzten wir alle unsere Hoffnung zur Lösung dieses Rätsels auf unsere Proben.

Eine eventuelle Spurenfolge? (Foto C. Morello)

Drei Gesteinsproben machten sich auf den Weg nach Zürich. Deren Untersuchung ergab, dass es sich um Molasse-Sandstein mit unterschiedlicher Korngrösse handelt. Wegen den unterschiedlichen Formen und Durchmessern der „Fusseindrücke“ und vor allem wegen ihrem scharfen Rand und der deutlichen Unterschneidung interpretierte H. Furrer diese eigenartigen Löcher als Verwitterungsspuren. Normalerweise entstehen solche „Kolke“ genannte Löcher durch fliessendes Wasser. Die scharfkantigen Ränder zeigen, dass die Oberfläche der Sandsteinbank härter ist als die darunter liegende Schicht, die besser ausgehöhlt werden konnte.

So löste sich also schliesslich auch das Rätsel um die „Spuren“ im Felsen beim Tauchplatz Baumgärtli in Immensee. In diesem Sinne noch ein herzliches Dankeschön an:

Wer sich gerne weitere Fotos und Videos von den „Spuren“ ansehen möchte, der findet diese unter http://www.verov.ch/ / Projekte.

Text: Claudio Morello, Daniela Wiesli und Dr. Heinz Furrer. Alle Bilder und Videos sind von Tauchern gemacht worden. Kein VEROV-Einsatz. Mit freundlicher Genehmigung von Claudio Morello