Interview: Zweieinhalb Jahre als Tauchlehrer im Ausland

Ein junger Schweizer arbeitete, während einer 31-monatigen Auszeit, auf unterschiedlichen Kontinenten als Tauchlehrer.

25.10.2018, Stefan, SWISS DIVERS

Es ist Samstagnachmittag und Jonas sitzt mir im Intercity gegenüber. Während er spricht wechseln seine wachen blauen Augen, immer wieder von mir zum Thunersee, welcher gerade am Fenster vorüberzieht. Der 24-Jährige und sein jüngerer gehörloser Bruder waren im Berner Oberland montainbiken. Ich begleite Jonas für dieses Interview, auf seinem Weg zurück zur Studenten-WG in der Nähe von Bern, wo er derzeit wohnt. Während dem Gespräch, blickt er mir immer wieder direkt in die Augen, wenn er etwas besonders betonen möchte.

Ich hatte Jonas vor etwa zwei Jahren auf einem Tauchboot in Australien kennen gelernt. Er ist seit einigen Jahren, unter seinem richtigen Namen, Mitglied des SWISS DIVERS-Forums, will aber für dieses Interview anonym bleiben. Deshalb nennen wir ihn in diesem Text Jonas.

Wo überall hast du als Tauchlehrer gearbeitet während den 31 Monaten?

In New Zealand habe ich das IDC/IE* gemacht und für fünf Monate erste Erfahrungen als Instructor gesammelt. Über die Sommersaison 2017 arbeite ich in Malta auf einer von Deutschen geführten Tauchbasis. Über Weihnachten/Neujahr 2018 war ich für zwei Monate auf den Molukken als Aushilfe bei einem befreundeten Basisbesitzer angestellt.

(* IDC = PADI Instructor Development Course – Tauchlehrerausbildung / IE = PADI Instructor Exam – Tauchlehrerprüfung)

Vorschläge für den nächsten Interview Gast?

Wir werden versuchen zweimal Jährlich ein Interview mit einem Taucher zu veröffentlichen. Diese Interviews wollen wir mit ganz normalen Menschen die etwas besonderes erlebt haben oder tun führen. Es soll ein klarer Bezug zur Schweiz und zum Tauchen bestehen. Der Interview-Gast sollte zudem etwas zu erzählen haben, was andere Taucher interessieren könnte.

Falls es Vorschläge gibt, nehmen wir diese gerne unverbindlich über das Kontaktformular entgegen.

Das SWISS DIVERS-Team.

Was hast du sonst noch alles getan während deiner Zeit im Ausland?

Ich leistete einen sieben-monatigen Zivildienst-Einsatz im Ausland, für ein Schweizer Hilfswerk. Ich reiste und machte Fun-Tauchgänge in New Zealand, auf Fiji, in Australien, Papua New Guinea, Thailand, Singapur und Malaysia. Zweimal war ich auch für eine Woche in der Schweiz um erneut loszuziehen.

Wo und wann wurdest du mit dem Tauch-Virus infiziert?

Im Alter von 16 Jahren, nahm ich an einem Schnuppertauchen in Thailand teil. Ich war so begeisterst davon, dass ich gerne sofort einen Tauchkurs begonnen hätte. Ein halbes Jahr später, während den Sommerferien 2011, bekam ich die Möglichkeit an einem CMAS*-Kurs (CMAS-Ein-Stern) in Griechenland teilzunehmen. Danach begann ich regelmässig in der Schweiz zu tauchen. Die Faszination die das Tauchen auf mich ausübt, hat auch nach inzwischen weit über 1’000 Tauchgängen nicht nachgelassen.

Wie kam es dazu, dass du für 31 Monate ins Ausland gingst?

Ich wusste schon als Kind, dass ich einmal für längere Zeit im Ausland leben möchte. Fremde Länder und Kulturen faszinierten mich schon lange.

Als ich im Sommer 2013 mit grosser Begeisterung den CMAS*** (CMAS-Drei-Stern-Taucher) absolvierte, entstand in mir die Frage: Was kommt als nächstes? Während den Herbstferien 2013 in Ägypten, traf ich eine 23-jährige Schweizer Tauchlehrerin, die mir erzählte, dass sie gleich nach der Lehre, die Schweiz verliess und seither auf unterschiedlichen Kontinenten als Tauchlehrerin arbeite. So entstand in mir die Idee, früher oder später dasselbe zu tun.

Damals hatte ich gerade das letzte Jahr meiner Elektroniker-Lehre begonnen und ich machte mir, intensiver als je zuvor, Gedanken darüber, was nach der Lehre kommen soll? Ich wusste, dass ich studieren wollte. Aber auch eine Auszeit wollte ich nehmen, um die Welt zu erleben.

Nach einiger Zeit verwoben sich alle diese Fragen und Wünsche in meinem Kopf zu einem Plan. Dieser lautete: “Als Tauchlehrer im Great Barrier Reef zu arbeiten und so die Zeit im zu Ausland finanzieren.”

Weshalb arbeitest du schlussendlich in New Zealand und nicht in Australien?

Dies hat mit den Visumbestimmungen in Australien zu tun. Im Gegensatz z.B. zu deutschen Staatsbürgern ist es für Schweizer sehr viel schwieriger in Australien ein Arbeits-Visum zu bekommen. In New Zealand war dies einfacher.

Wie hast du das IDC/IE erlebt?

Es waren zwei ein-halb extrem anstrengende Wochen. Der psychische Druck den ich mir selbst während dem IDC aufbaute, war grösser als vor der Lehrabschlussprüfung oder der Matura. Ich hatte grosse Mühe abzuschätzen, wo ich mit meinen Lernfortschritten genau stand. Im Nachhinein gesehen stellte sich das IE als viel leichter heraus, als ich erwartete und ich war schlussendlich der “Klassenbeste” am IE.

Während dem IDC mussten viele Inhalte, in kurzer Zeit gelernt werden. Da ich selbst nie eine PADI Divemaster-Ausbildung gemacht hatte, fehlten mir einige PADI-spzifische Inhalte, die alle anderen Instuctor-Kandidaten schon kannten. Z.B. die aus meiner Sicht nicht mehr ganz zeitgemässe und unnötig komplizierte RDP/eRDP-Tabelle. Als CMAS-Taucher greift man zu richtige Dekotabellen, denen ich bis heute weit mehr vertraue als der RDP.

Nachdem ich nun über 200 Tauchschülern selbst unterrichtet habe, steht für mich fest, dass das IDC/IE nur bedingt auf die reelle Arbeit auf einer Tauchbasis vorbereitet. Was man während des IDCs vor allem lernt, ist das Suchen und richtige Interpretieren der PADI-Standards. Alles andere, was man nach meiner Meinung einem Tauchlehrer-Anwärten beibringen sollte, vermittelt das IDC zu oberflächlich oder gar nicht.

Ich hatte das Glück, dass ich nach bestandenem IDC/IE in einem Team mit erfahrenen Tauchlehren arbeiten konnte und von ihnen sehr viel lernen durfte. Dies reicht vom Umgang mit den Kunden, bis zur Seemanschaft auf dem Tauchboot.

Wie erlebtest du die Arbeit als Tauchlehrer?

Das Guiden wie das Unterreichen von Tauchschülern begeistert mich gleichermassen. Jeden Tauchgang, egal ob im Meer oder im Pool genoss ich. Der Umgang mit den Kunden war gross mehrheitlich sehr bereichernd. Touristen sind in der Regel relaxed, gut gelaunt und dankbar. Dies macht vieles einfacher. Ich arbeite auch gerne handwerklich; z.B. beim Revidieren von Flaschen, Automaten oder Bootsmotoren.

Die Arbeit auf einer Tauchbasis ist aber ziemlich streng: Neben der Müdigkeit, hervorgerufen durch die dauernde Stickstoffbelastung und der körperlichen strengen Arbeit auf dem Boot, waren vorallem die lagen Präsenzzeiten belastend. Man arbeite in der Hochsaison oft 14 oder mehr Stunden pro Tag und dies 7 Tage die Woche. Manchmal – vorwiegend im der Vor- und Nachsaison – gab es aber auch Tage oder Wochen an denen keine Kunden und somit auch keine Arbeit vorhanden war.

Obwohl es hin und wieder Unstimmigkeiten gab, erlebte ich die Zusammenarbeit in allen Tauchbaisis-Teams, als sehr positiv. Es entstanden mehre, wirklich gute Freundschaften.

Was war das schwierigste Erlebnis, dass du als Tauchlehrer gemacht hast?

Sehr schwierig waren nie zufriedene Kunden, die am Ende sogar drohen mich zu verklagen, weil sei keinen Hai gesehen hätten. Sehr anstrengend waren auch sinnlose Diskussionen mit einigen Teammitgliedern, welche nur über die Erfahrung von etwa 120 Warmwassertauchgängen am gleichen Ort verfügten. Sie benahmen sich teilweise, als hätten sie das Tauchen erfunden, waren aber unfähig zu verstehen, dass man Vieles auch anders machen kann, als sie es kannten.

Wie konntest du diese 31 Monate finanzieren?

Einerseits verdiente ich natürlich als Tauchlehrer etwas. Die Löhne sind zwar bescheiden, aber gerade genug um davon zu leben. Auf der anderen Seite hatte ich zwei Jahre lang gespart, als ich noch in der Schweiz arbeitete. Weil ich damals günstig bei meinen Eltern wohnen konnte, kam einiges zusammen. Dies gab mir einen deutlich grösseren finanziellen Spielraum, als ihn viele andere Reisende in meinem Alter und vielen meiner damaligen Mitarbeiter hatten. Ich reiste als Backacker und übernachtete in gütigen Hostels. Auf den Tauchbasen bekam ich jeweils Kost und Logis, was meine eignen Kosten klein hielt.

Das IDC/IE habe ich zu 50% bezahlt und zu 50% mit Arbeit abgegolten. Dies entlastete das Reisebudget zusätzlich, machte mich aber gleichzeitig nicht zum Sklaven der Tauchbasis. Ich war Kunde und Mitarbeiter zugleich. Ich konnte deshalb jederzeit drohen, am Ende nicht zu bezahlen.

Wo war das Tauchen am besten?

Sehr gut gefallen hat mir das Tauchen bei Kavieng auf New Ireland in Papua New Guinea. Solch üppige Riffe und so viele Fische wie dort habe ich zuvor noch nie gesehen. Jedoch auch das Mittelmeer rund um Malata hat mich sehr positiv überrascht. Die riesigen Kelpwälder in New Zealand habe ich nach anfänglicher Skepsis, wirklich auch lieben gelernt. Die Artenvielfalt in diesen Wäldern ist grösser als in tropischen Riffen. Was das Tauchen anbelangt, war ich hingegen vom Great Barrier Reef in Australien sowie von Malaysia und Thailand eher enttäuscht.

Wie hat dich die Zeit im Ausland persönlich verändert?

Ich bin offener geworden für andere Menschen. Ich bin zwar immer noch eher introvertiert. Trotzdem bemerke ich zurzeit immer wieder, dass es mir viel leichter fällt, mit anderen in Kontakt zu treten, als noch vor zwei Jahren.

Ich kenne auch mich selbst viel besser als zuvor. Ich bin mutiger geworden, wirklich mich selbst zu sein und so zu leben wie ich es möchte. Andere beeinflussen mich heute weniger stark mit ihrer Meinung.

Was würdest du anderen raten, die eine ähnliche Auszeit machen möchten?

Als ich damals mein Umfeld über meine Pläne informierte, gab es die mehr oder weniger immer gleichen Reaktionen: Nach einem ersten “Wow! Cool!” folgte jeweils einer Bemerkung wie: “Das würde ich auch gerne machen, aber ich kann nicht, weil…” Darauf folgen die unterschiedlichsten Begründungen: Zu alt, zu jung, zu beschäftigt, zu arm, zu wenig mutig, zu unerfahren, gerade in Ausbildung, Kinder, verheiratet, ect.

Ich möchte allen jenen die sich zurzeit überlegen, eine längere Auszeit zu machen und allen die damals diese Begründungen formulieren, sagen: Ich war auch zu jung, zu beschäftigt, zu arm, hatte Ängste, war unsicher, war in keiner Weise erfahren, war in Ausbildung und trotzdem war es möglich! Das genaue Planen und das komplette Loslassen der gewohnten Umgebung, gaben mir am Ende die nötige Sicherheit um es zu tun. Und heute will ich wirklich betonen, dass ich keinen Augenblick bereue, es gewagt zu haben.

Gib dir einen Ruck und wage es einfach! Träume nicht nur davon. Versuche nicht so schnell wie möglich zu gehen. Nimm dir mehrere Jahre Zeit für die Vorbereitungen. Recherchiere, plane ganz genau und langfristig.

Wie sieht deine Gegenwart und Zukunft aus?

Ich gehöre nun seit drei Monaten zum Team einer kleinen Tauchschule, in der Nähe von Bern. So ist es mir möglich, in meiner Freizeit, hin und weiter Tauchschüler zu unerreichten. Die ersten Kurse durfte ich bereits leiten.

Ich habe im Sommer mit einem berufsbegleitend Elektro- und Informationstechnik-Studium begonnen. Deshalb kann ich nun für die nächsten 8 Semester nicht einfach wieder ins Ausland gehen und dort arbeiten. Neben dem Studium arbeite ich zu 60% als Elektroniker. Ich arbeite an Entwicklungs-Projekten mit, was mindestens ebenso spannend ist, wie Tauchschüler zu unerreichten.

Was nach diesen vier Jahren Studium sein wird, weiss ich noch nicht. Ich muss nicht alles über meine Zukunft wissen und vorausplanen. Sonst wäre das Leben nicht mehr spannend.

Jonas, vielen Dank für dieses Interview. Und immer gut Luft!